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06.11.2019

Aus einer anderen Perspektive die Welt betrachten – Selbsterfahrung mit dem Rollstuhl

Das zweite Ausbildungsjahr der Berufsfachschule Ergotherapie wechselt einen Vormittag lang die Perspektive und erlebt verschiedene Betätigungen aus dem Rollstuhl heraus.
 
Im Vorhinein wurden im Unterricht verschiedene Situationen erarbeitet, die aus dem Rollstuhl heraus ausprobiert werden sollten. Fragen tauchten auf: Was wird uns Probleme bereiten? Wo benötigen wir Hilfe? Welche Lösungen finden wir? Wie werden die Menschen auf uns reagieren?
In Zweierteams wurden Betätigungen aus dem ganz normalen Alltag heraus ausprobiert. Mit einer Fülle an neuen Eindrücken erreichten alle Schülerinnen mittags wieder die Elisabeth-Selbert-Schule.
Die Schülerinnen meldeten zurück, dass Rollstuhlfahren schwieriger und anstrengender ist, als gedacht. Der Untergrund hat einen großen Einfluss auf das Fahrverhalten – Fliesen, Straße, Bürgersteig und Kopfsteinpflaster wurden ausprobiert. Das Herbstlaub veränderte nochmals den Untergrund. Auch Steigungen und Gefälle wurden getestet.
Ein unebener Bürgersteig führte dazu, dass ein Rollstuhl permanent nach rechts zog. Es war anstrengend die Fahrtrichtung zu korrigieren. Ein Rollstuhl, der nicht gleichmäßig fuhr, sondern einen Hang zu einer Seite hatte, erschwerte ebenfalls das Geradeausfahren.
Die Perspektive, aus der heraus die Welt wahrgenommen wurde, war ebenfalls eine andere. Produkte beim Einkaufen aus den unteren Regalen wurden mehr wahrgenommen; andere Produkte konnten aufgrund der Höhe nicht erreicht werden. Handlungen, die im Stehen einfach sind, über die nicht weiter nachgedacht wird, sind teilweise aus dem Rollstuhl heraus schwieriger zu erledigen. Die Rollstuhlfahrerin war von anderen Personen abhängig. Einige Gänge zwischen Regalen waren viel zu eng, um überhaupt die entsprechenden Regale zu erreichen. Die meisten Menschen waren sehr freundlich, schoben sogar Gegenstände beiseite, um Platz zu schaffen.In einigen Situationen fühlten die Rollifahrer sich störend – im Fahrstuhl haben sie viel Platz eingenommen; manchmal standen sie anderen Menschen im Weg. Um sich selbstständig in Gebäuden zu bewegen wurden ebene Eingänge ohne Stufen und genug Platz zum Wenden benötigt. An einigen Stellen wurde deutlich, dass die Umwelt nicht ausreichend an Rollstuhlfahrer angepasst ist; manchmal war aber eine mobile Rampe vorhanden, die auf Nachfrage ausgelegt wurde.
Ein bereits abgesenkter Bordstein stellte an diesem Tag für die Schülerinnen immer noch eine Hürde dar, die es zu überwinden gab.
Andere Rollifahrer wurden an diesem Tag von der Klasse bewusster wahrgenommen. Es war gut mal die Perspektive zu wechseln und doch freuten sich alle mittags die Rollstühle wieder abgeben zu dürfen.